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IG Metall über die Corona Warn App


Die IG Metall bewertet die Corona Warn App als ein sinnvolles Instrument zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie.
Aber: Die Corona Warn App ist im Betrieb nur eine Ergänzung und kein Ersatz für die bisherigen Präventionsanstrengungen. Weiterhin gilt es, durch technische, arbeitsorganisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen das Risiko einer Ansteckung von Beschäftigten untereinander zu minimieren.


Zu kritisieren ist, dass die Einführung der Corona Warn App nicht durch spezialgesetzliche Regelungen flankiert wurde. Die IG Metall fordert für den Kontext des Beschäftigungsverhältnisses, dass ausdrücklich klargestellt wird, dass:

  • Die Nutzung der App auch im Arbeitsverhältnis die freiwillige Entscheidung des Beschäftigten ist (Freiwilligkeit).
  • Kein Beschäftigter im Arbeitsverhältnis Nachteile erfahren darf, weil er die App nicht nutzt oder weil er sie nutzt (Maßregelungsverbot).
  • Der Beschäftigte die Arbeitsleistung einstellen darf, wenn er durch die Corona Warn App informiert worden ist, dass er Kontaktperson I. Grades ist (Leistungsverweigerungsrecht).
  • Das Einkommen des Beschäftigten vollumfänglich und lückenlos zu sichern ist. Interessengerecht und unbürokratisch wäre ein spezieller Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber für die (in der Regel) kurze Zeitspanne, bis geklärt ist, ob aufgrund der Warnmeldung eine Quarantäne gegenüber dem Beschäftigten angeordnet wird (Entgeltfortzahlung).

Solange diese Forderung nicht umgesetzt ist, ergeben sich dazu auf Grundlage des geltenden Rechts Unsicherheiten:

 

1. Ob eine Nutzung der App für die Beschäftigten im Kontext des Arbeitsverhältnisses durch Kollektivvereinbarung oder gar auf Grundlage des Weisungsrechts des Arbeitgebers verpflichtend angewiesen werden kann, wird juristisch unterschiedlich beurteilt, überwiegend aber abgelehnt. Bedenken gegen die rechtliche Zulässigkeit bestehen vor allem im Hinblick auf die sehr weitgehenden Auswirkungen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten, die zwangsläufig nicht auf die betriebliche Sphäre beschränkt bleiben. Die IG Metall setzt auf Freiwilligkeit!

 

2. Eines ist jedoch klar: Regelungen betreffend die Corona Warn App im betrieblichen Kontext unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats. In Betracht kommen vor allem folgende Mitbestimmungstatbestände:

  • § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnung und Verhalten im Betrieb)
  • § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (technische Überwachungseinrichtungen)
  • § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz)
Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber anweist, eine technische Einrichtung zu bedienen, die durch sie erhobenen Daten aber im Zugriff Dritter liegen (BAG, 27.01.2004, 1 ABR 7/03, - biometrische Zugangskontrolle im Kundenbetrieb).
3. Ein allgemeines Maßregelungsverbot ergibt sich bereits aus § 612a BGB. Gleichwohl würde ein speziell auf die Corona Warn App zugeschnittenes Maßregelungsverbot die Bedeutung dieses Gesichtspunkts unterstreichen.
4. Ein Leistungsverweigerungsrecht des Beschäftigten bei Eingang einer Warnmeldung könnte sich aus § 275 Abs. 3 BGB ergeben. Richtigerweise kann es Beschäftigten nicht zugemutet werden, Gefahr zu laufen, Arbeitskolleginnen und –kollegen anzustecken. Ob diese Sichtweise von den Arbeitsgerichten geteilt wird, ist allerdings nicht sicher. Tatsache ist, dass die Warnmeldung allein lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Infektion des Betroffenen begründet.
Für Beschäftigte, die ihre Arbeitsleistung auch unter Bedingungen schulden, unter denen eine Gefährdung von Arbeitskollegen nicht gegeben ist (bspw. im Homeoffice), ist ein Leistungsverweigerungsrecht insoweit nicht gegeben.
5. Entgeltfortzahlung:
Arbeitnehmer, die – konsequenterweise – ihre Arbeitsleistung nach Erhalt der Warnmeldung einstellen, könnten Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung aus § 616 BGB haben. Auch hier ist die Rechtslage jedoch unklar. Teilweise wird in Frage gestellt, ob der Verdacht einer Infektion unter den Bedingungen einer Pandemie ein in der Person des Beschäftigten liegender Verhinderungsgrund ist. Besonders problematisch ist jedoch, dass § 616 BGB für viele Arbeitsverhältnisse abbedungen ist und dort als Anspruchsgrundlage ausscheidet.
Vielfach wird aber auch der Arbeitgeber ein Interesse daran haben, dass der Beschäftigte seine Arbeit einstellt. Offenbart der Beschäftigte – freiwillig – dem Arbeitgeber den Erhalt einer Warnmeldung und verweigert der Arbeitgeber allein deswegen die Annahme der Arbeitsleistung, hat der Beschäftigte Anspruch auf die Vergütung aus § 615 Satz 1 BGB (= Annahmeverzug). Da der Arbeitgeber ausreichende Schutzvorkehrungen gegen Infektionen im Betrieb treffen muss, ist dem Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung jedenfalls solange zumutbar, wie lediglich ein Verdachtsfall und kein positives Testergebnis vorliegt.
Beschäftigte, die ihre Arbeitsleistung auch unter Bedingungen schulden, bei denen eine Gefährdung von Arbeitskollegen ausgeschlossen ist (bspw. im Homeoffice), haben, soweit sie ihre Arbeitsleistung entsprechend erbringen, den Anspruch auf Arbeitsentgelt aus § 611a Abs. 2 BGB.
Ein Anspruch auf Entschädigung eines Verdienstausfalls nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz setzt die Anordnung eines beruflichen Tätigkeitsverbots oder einer Quarantäne durch die zuständige Behörde voraus. Allein die Warnmeldung der App ist keine solche Anordnung, so dass der Beschäftigte für die Zeit zwischen der Warnmeldung und einer solchen behördlichen Anordnung nicht durch § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz vor einem Verdienstausfall gesichert ist.
Die aufgezeigten Unwägbarkeiten unterstreichen die Bedeutung der von der IG Metall aufgestellten Forderungen.
Es ist offen, ob und ggf. wann entsprechende gesetzliche Regelungen geschaffen werden.
Daher kann aktuell die Nutzung der App nur empfohlen werden, wenn der Arbeitgeber Freiwilligkeit und Entgeltfortzahlung zusichert.

Die gesetzlichen Lücken kann auch eine betriebliche Regelung nicht sicher füllen. Wenn dennoch eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden soll, ist die Freiwilligkeit der Nutzung sowie ein entsprechendes Maßregelungsverbot zu sichern. Darüber hinaus sollte geregelt werden, dass die Arbeitsleistung von Beschäftigten solange nicht angenommen wird, bis durch das zuständige Gesundheitsamt geklärt ist, welche Maßnahmen angeordnet werden. Daran anknüpfend ist klarzustellen, dass für diese Zeit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.

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