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Brief zum 1. Mai - Betriebsrat fordert Kaufprämien für Neuwagen und junge Gebrauchte


Der Konzernbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh äußert sich in einem Schreiben an die Belegschaft zum Wiederanlauf, zu einer nötigen Impuls-Prämie für die Wiederbelebung des Autohandels und zur Förderung weiterer besonders kriselnder Wirtschaftsbereiche.


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

wir sind in dieser Woche wieder angelaufen. Das ist ein erster Erfolg in schwierigen Zeiten. Unsere Maßnahmen zum Gesundheitsschutz wirken und wir werden sie weiter verfeinern. Fest steht: Auch unter den erschwerten Bedingungen bauen wir Top-Fahrzeuge mit einer Top-Mannschaft. Die Rückmeldungen aus der Belegschaft zeigen mir: Wir könnten jetzt die nächsten Schritte gehen und mehr Linien anlaufen lassen mit mehr Schichten.

Das ist die gute Nachricht. Aber es gibt leider auch eine schlechte.

Denn ich höre nichts Gutes aus unserem Vertrieb. Beim Handel stauen sich die Leasingrückläufer und es gibt so immer mehr junge Gebrauchte auf dem Markt. Unsere Restwerte leiden darunter. Gleichzeitig interessieren sich die Kundinnen und Kunden in der Corona-Krise einfach nicht für das Thema Autokauf. Unsere Neuwagenlager stoßen bereits heute an ihre Grenzen. Und der Blick in unseren Bestelleingang ist ein echtes Trauerspiel. Trotzdem legen wir jetzt wieder los, um Neuwagen in den Markt zu bringen. Wenn das so bleibt, dann stehen unsere Werke vielleicht in ein paar Wochen wieder. Im Moment schaut leider alles danach aus.

Kolleginnen und Kollegen,

der Shutdown für den Handel und das öffentliche Leben war richtig. Doch ebenso konsequent, wie uns die Politik abrupt den Stecker gezogen hat, muss sie nun auch für eine flächendeckende Wiederbelebung sorgen. Denn die wird nicht von alleine kommen. Deutschlands Automobilindustrie braucht einen echten Impulsstoß, der sie wieder ins Leben zurückholt. Daran hängt hierzulande die Perspektive von 2,5 Millionen Beschäftigten und deren Familien.

Als Ausweg halten wir die von Teilen der Politik geforderte Mini-Absenkung der Mehrwertsteuer für falsch, weil sie verpuffen würde.

Ein Prozentpunkt weniger würde den Fiskus pro Jahr zehn Milliarden Euro kosten. Aber der Effekt selbst auf den Kaufpreis eines Autos wäre überschaubar und nicht kaufentscheidend. Zehn Milliarden Euro könnte man besser anlegen. Etwa für das Ankurbeln von Gastronomie, Hotellerie, Tourismus und der Wiederbelebung von Kunst und Kultur sowie der Kleinbetriebe und der Geschäfte kleiner Selbstständiger. Aber eben auch für die in Deutschland maßgebliche Automobilindustrie, die viele Sektoren wie den Maschinenbau oder die Chemiebranche beeinflusst.

Wir als Eure Betriebsräte werden uns daher in den kommenden Tagen dafür starkmachen, dass die Politik Geld für diesen Impulsstoß bereitstellt. Wir wissen, dass wir damit nach Steuermitteln rufen. Aber wir wissen auch, dass sich dieses Geld für unsere gesamte Gesellschaft klug anlegen ließe und sich so gleich mehrfach rechnen könnte – nämlich ökonomisch, ökologisch und sozial. Dafür wollen wir folgenden Debattenbeitrag ins Spiel bringen:

 

-Eine stärkere Berücksichtigung von CO2 als Bemessungsgrundlage bei der Kfz-Steuer. Damit ergibt sich ein Hebel für eine lenkungswirksame, umweltorientierte Steuer. Mehreinnahmen daraus könnten zum Beispiel in den Ausbau der Ladeinfrastruktur oder innerstädtische Car-2-X-Technologie fließen.
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In ähnlicher Höhe wie bei der „Abwrackprämie" 2009 sollte der Staat mit einer Impuls-Prämie Neuwagenkäufe (inklusive Leasing) der Abgasnorm EU6d temp für einen klar begrenzten Zeitraum unterstützen.
-Diese Förderung sollte auch für junge Gebrauchte (bis 1 Jahr; mindestens Abgasnorm EU6d temp) gelten.
-Wer bei solchen Käufen auch sein älteres Auto (EU3 oder EU4) in Zahlung gibt, damit es auf jeden Fall verschrottet und recycelt wird, sollte vom Staat eine zusätzliche Abwrackprämie obendrauf erhalten, falls das neu erworbene Fahrzeug mindestens das Energieeffizienzlabel B oder besser besitzt.
-Alle im VDA vertretenen Hersteller erklären sich bereit, über ihre Handelspartner diese vom Staat zugesagte Impuls-Prämie nach Kräften zu unterstützen und je nach staatlich zugesagter Summe womöglich sogar zu verdoppeln, zumindest aber die Wechselkosten zu übernehmen.
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Zusätzlich machen alle im VDA vertretenen Hersteller ein ganz besonderes Angebot: Kunden, die die Impuls-Prämie nutzen, erhalten im Jahr 2021 bei den angeschlossenen Handelspartnern die Möglichkeit, 14 Tage langkostenlos ein reines Elektrofahrzeug Probe fahren zu können.

 

Solche Regelungen rund um eine Impuls-Prämie würden für einen eng begrenzten Zeitraum Anreize schaffen, sich mit dem Kauf eines Neuwagens oder jungen Gebrauchten auseinanderzusetzen. Die Automobilindustrie erhielte damit den lebensnotwendigen Schwung, wieder vollständig hochzufahren, bis sich über den Sommer das Leben mit Corona eingespielt hat und der erste lähmende Schock bei den Kunden überwunden ist.

Der ökologische Effekt würde zum Kern unserer Förderung gehören: Denn mit der Abgasnorm EU4 und älter sind in Deutschland noch 22 Millionen Fahrzeuge unterwegs. Aus dem Gesamtbestand ist das fast jeder zweite Wagen. Es hätte eine enorme Wirkung, möglichst viele dieser alten Fahrzeuge durch neue mit moderner Abgasnorm zu ersetzen. Das zeigen Vergleichsrechnungen „Alt gegen Neu" mit Deutschlands meistverkauftem Auto, unserem VW Golf. Hier sprechen wir, je nach Emissions-Grenzwert und Motorenart, von Verbesserungen, die oft nur Bruchteile der Belastung aus den alten Fahrzeugen übriglassen. Mit der Bezuschussung der Impuls-Prämie würde auch die Branche entsprechend mitziehen. Und die Neuausrichtung der Kfz-Steuer auf Aspekte, die ökologisch und innovationstreibend sind, wäre ein wichtiges Signal in Zeiten der Transformation unserer Branche.

Zusätzlich hätten wir einen sozialen Effekt, der vor allem unteren Einkommensgruppen zugutekäme. Denn gerade unter den Fahrerinnen und Fahrern älterer Autos mit Abgasnorm EU4 und geringer gibt es viele, die sehr lange auf ein neues Fahrzeug sparen müssen. Wir denken da an die Krankenschwester oder den Handwerker, um nur zwei Beispiele zu nennen. Solche Menschen sind, gerade im ländlichen Raum und in Schichtarbeit, ganz einfach auf ihr Auto angewiesen. Sie könnten in unserem Modell, sollte es wieder einen ähnlich hohen staatlichen Zuschuss wie bei der Abwrackprämie 2009 geben, einige Tausend Euro Zuschuss erhalten. Hinzu käme der Restwert ihres Altwagens plus der Effekt aus der neugestalteten Kfz-Steuer. Das alles wäre ein Anreiz für kleine, sparsame Wagen.

Alle Nutzerinnen und Nutzer der Impuls-Prämie kämen außerdem in den Genuss, sich im kommenden Jahr konkret mit dem Thema E-Mobilität auseinanderzusetzen und ein solches Fahrzeug länger im Alltag kennenzulernen. Wir sind sicher: Zehntausende Kundinnen und Kunden würden auf diese Art an die Vorteile emissionsfreier Mobilität herangeführt. Bei ihrer nächsten Kaufentscheidung könnte das den entscheidenden Ausschlag geben.

Aber auch schon in diesem Jahr erhielte die E-Mobilität einen weiteren wichtigen Schub. Denn in unserem Modell sind die aktuelle Förderung für Elektrofahrzeuge und die Impuls-Prämie miteinander kombinierbar. Damit ergäbe sich – je nach Höhe der Impuls-Prämie – ein hoher vierstelliger Gesamtzuschuss für reine E-Fahrzeuge und Plug-In-Hybride. Das wäre viel Kaufsubvention. Aber: Die Gesellschaft hätte wie beschrieben in mehrfacher Hinsicht einen Gewinn. Der Staat würde zudem über die Mehrwertsteuer an einem solchen Schub kräftig mitverdienen.

Kolleginnen und Kollegen,

in der Corona-Krise feiern wir übermorgen den 1. Mai, den Tag der Arbeit. Anders als sonst können wir Betriebsräte, Gewerkschafter und Vertrauensleute nicht bei Großveranstaltungen auf Marktplätzen und Bühnen erscheinen, um uns für gute Arbeit einzusetzen. Aber Ihr könnt sicher sein: Wir werden über das lange Wochenende unseren Einfluss auf die Politik geltend machen, damit die Automobilindustrie weiter eine sichere Perspektive hat. Ob sich unser hier beschriebenes Modell in Teilen durchsetzt, ist unklar. Aber auf eines könnt Ihr Euch verlassen: Wir werden dafür kämpfen! Dieses Versprechen ist Teil unserer Botschaft zum diesjährigen 1. Mai.

 

Habt ein gutes langes Wochenende – und passt auf Euch auf!

 

Euer

Bernd Osterloh


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Quelle: https://volkswagen-net.de/wikis/pages/viewpage.action?pageId=872317668